Krise braucht Kultur

Aktionen zum Erhalt des Kulturzentrums – Krise braucht Kultur!

Seit 17 Jahren wurde die Förderung des Kulturzentrums im Amerlinghaus nicht mehr an die Inflation angepasst. Im Jahr 2010 wurde die schon länger schwelende finanzielle Krise schließlich akut. Mit Ende September drohte das Aus, da Miete, Gehälter, Energie- und Bürokosten usw. nicht mehr bezahlt hätten werden können. Trotz inflationsbedingtem Mehrbedarf und langen Verhandlungen wurde unsere Subvention durch die Gemeinde Wien auch 2010 nicht wertangepasst. Bis 2004 waren die Subventionen in unregelmäßigen Abständen wertangepasst worden. Bereits 2004 waren wir außerdem genötigt gewesen, Personalkürzungen und Einsparungen vorzunehmen. Im September 2009 wurden sich bereits seit geraumer Zeit ankündigende finanzielle Probleme virulent. Trotz des rigiden Sparkurses der vergangenen Jahre waren wir an einem Punkt angelangt, wo die Situation des Kulturzentrums prekär wurde. Der Subventionswert wurde immer weniger, die Fixkosten hingegen immer höher. Diese allein – Miete, Gehälter für 3 Teilzeit-Arbeitnehmerinnen und eine Vollzeit-Putzarbeiterin, Betriebskosten (Strom, Wasser, Heizung) sowie der Beitrag zur ständigen Zusammenarbeit mit dem verein exil im Amerlinghaus – verbrauchten die gesamte Subvention. Ende Juni 2010 scheiterten nun unsere Verhandlungen mit der für uns zuständigen Magistratsabteilung 13. Nachdem wir bis dahin immer noch Erwartungen in Richtung Gemeinde Wien in Bezug auf unsere Forderung nach Wertanpassung der Subvention und Mietreduzierung sowie nach Entschuldung und Sanierungszuschuss gehabt hatten, stand jetzt fest, dass von Seiten der politisch Verantwortlichen keinerlei Entgegenkommen zu erwarten war. Die zur Weiterführung des gleichen Betriebs nötigen zur Subvention von € 250.000,- geforderten zusätzlichen € 40.000,- gab es genauso wenig, wie die für eine minimale erstmalige Renovierung seit 30 Jahren benötigten € 20.000,-. Darüber hinaus bekamen wir im Gegensatz zu den vergangenen Jahren auch keinen Vorschuss auf die Subvention, der wegen der aufgelaufenen Defizite nötig gewesen wäre. Es bedurfte sehr großer Anstrengungen, von der Bank doch noch einen Überziehungsrahmen im notwendigen Ausmaß zu erhalten. Für Einrichtungen, die nicht der neoliberalen Verwertungslogik entsprachen, wurden immer weniger Mittel zur Verfügung gestellt. Das Amerlinghaus stellte hier keinen Einzelfall dar. Der Slogan „KRISE BRAUCHT KULTUR!“ wurde kreiert.

Solidarität mit dem Amerlinghaus

Mit Herbst 2011 brach für das Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus eine sehr turbulente Zeit an. Wie bereits in den Jahren zuvor reichte die Jahressubvention aufgrund der seit vielen Jahren nicht erfolgten Wertanpassung für die letzten drei bis vier Monate des Jahres nicht mehr aus. In den im Oktober erfolgten Gesprächen mit der Magistratsabteilung 13 über ein Schreiben an die Bank zur Freigabe eines Überbrückungskredites stellte sich plötzlich heraus, dass die MA 13 den Plan hatte, das Kulturzentrum im Amerlinghaus in der jetzigen Form nur mehr bis Ende Juni 2012 zu finanzieren. Für die Zeit danach gab es vage Pläne, einerseits einen Teil der Gruppen aus dem Haus auszusiedeln und über Wien zu verstreuen und andererseits nur mehr höchstens einen Arbeitsplatz im Verein Kulturzentrum Spittelberg zu finanzieren. Das Schreiben an die Bank zur Freigabe eines Überbrückungskredites wurde an die Bedingung geknüpft, dass der Vereinsvorstand dieser so genannten „Neu-Orientierung“ zustimmen hätte müssen. Das brachte den Vorstand des Vereins Kulturzentrum Spittelberg in eine äußerst prekäre Lage, da er ja für die laufend höher werdenden ausstehenden Rechnungen haftete und der Verein sozusagen am Rande des Konkurses stand. Im November 2011 spitzte sich die Lage nochmals zu: Gehälter konnten nicht ausbezahlt werden, in Teilen des Hauses gab es keinen Strom, im Infobüro eine Woche lang weder Internet- noch Telefonverbindung. Diese existenzbedrohende Situation konnte durch die gemeinsame Öffentlichkeits- und Mobilisierungsarbeit von Seiten des Vorstandes, der Hausgruppen und der Mitarbeiterinnen, die eine Welle der Solidarität zur Folge hatte, abgewendet werden. Presse- und Fernsehberichte, eine wahre Flut von Protestmails an die zuständigen StadtpolitikerInnen sowie eine Demonstration am 29.11.2011 bewegten die roten und grünen StadtpolitikerInnen zum Einlenken. Die geplante Zerschlagung des unbequemen Kulturzentrums im Amerlinghaus wurde durch die Mobilisierung einer großartigen Welle der Solidarität verhindert!

Claudia Totschnig und Renate Nahar im Amerlinghaus am 25.11.2011

In der Gemeinderatssitzung vom 16.12.2011 wurde mit den Stimmen der SPÖ und der Grünen eine außerordentliche Subvention in der Höhe von € 260.000,- für das Jahr 2012 für den Verein Kulturzentrum Spittelberg beschlossen. Das bedeutete zunächst einmal, dass die ausstehenden Gehälter der MitarbeiterInnen über den Umweg eines erhöhten Überziehungsrahmens bezahlt sowie die offenen Rechnungen des Jahres 2011 schrittweise beglichen werden konnten. Momentan war jedenfalls keine Rede mehr von Personalkürzungen bzw. davon, dass wir weitere Teile des Hauses für eine kommerzielle Nutzung freimachen sollten. Die Frage der Sanierung sowie einer Mietreduktion durch die GESIBA, die unseren Informationen zufolge bereits beträchtliche Rücklagen aus den Mieten für das Amerlinghaus gebildet hatte, blieb jedoch offen und die Frage der Valorisierung der Jahressubvention wurde ebenfalls noch nicht wirklich ausreichend geklärt. Die Situation des Kulturzentrums Spittelberg im Amerlinghaus hatte sich im Vergleich zu den angekündigten drastischen Einschnitten jedoch wesentlich verbessert. Diesen kleinen Erfolg hatten wir gemeinsam mit vielen solidarisch agierenden Menschen errungen.

Demo durch den 7. Bezirk zum Rathaus am 29.11.2011

2013 subventionierte die Gemeinde Wien das Zentrum erstmals mit nur 245.000,- €, d. h. die Subvention wurde auch nominell um 5.000 Euro gesenkt. Ein wesentlicher Teil unserer Ausgaben ist die Miete. Die Miete in Höhe von 55.000 Euro pro Jahr (ohne Betriebskosten und im Jahr 2013, heute beträgt sie bereits rund 60.000 Euro) wird an die Gemeinde-eigene GESIBA bezahlt. Es kann also von einer indirekten Subvention der Gemeinde an die GESIBA gesprochen werden. Seit vielen Jahren gab es keine Inflationsanpassung. Der Subventionswert wurde immer weniger, Fixkosten immer höher. Das ging zu Lasten der Qualität und des Umfanges unseres Angebotes. Wir balancierten ständig am Rande des Konkurses. Es war sehr eng geworden und das ewige „Weiterwurschteln“ nahm bedrohliche Ausmaße an.

Halten wir uns vor Augen: Zum Zeitpunkt der offiziellen Eröffnung 1978 (1978 betrug die Subvention 1,5 Millionen Schilling, 1984 2,7 Millionen) und in den ersten Jahren danach konnte mit der Subvention im Kulturzentrum im Amerlinghaus folgendes bezahlt werden: neun Vollzeitangestellte, Miete, Energiekosten, reichlich Büro- und sonstiges Material und dann blieben noch 200.000 öS als Veranstaltungsbudget. Im Lauf der Jahre wurde gespart und gespart, wo es nur geht, vor allem beim Personal. Der Druck von Seiten der Subventionsgeber, den Eigenmittelanteil zu erhöhen, nahm massiv zu. Die Eigenmittel, die regelmäßig über Gruppen- und Mitgliedsbeiträge, Vermietungen, Raumunkostenbeiträge u.ä. beigesteuert werden, können angesichts des Arbeitsauftrags des Hauses ein bestimmtes Ausmaß nicht übersteigen. Nach wir vor halten wir es für politisch falsch, die Mittel für ein soziales Zentrum von denjenigen zu lukrieren, für die es offen sein soll. Der öffentliche Auftrag, den wir zu erfüllen bemüht sind, sollte nicht einer Verwertungslogik unterworfen werden. In der parteiischen Arbeit, die Randgruppen und materiell Schwache favorisiert, kann das Lukrieren von finanziellen Ressourcen nicht auf eben diese abgewälzt werden. Die vertretbaren, niedrigen Zumutbarkeitsgrenzen können nicht überschritten werden, ohne dass es zu einem Austausch der Nutzer_innen kommen würde.

Wiederherstellung der Planungssicherheit?

Unser Ziel war die Wiederherstellung der Planungssicherheit und Arbeitsfähigkeit des Kulturzentrums im Amerlinghaus, damit Mitarbeiterinnen, Gruppen und Initiativen wieder Perspektiven entwickeln können würden. Kontinuität ist eine Voraussetzung für aufbauende, konstruktive Arbeit. Dazu war eine gesicherte Zusage der Weiterführung der Subventionierung in ausreichendem Masse von Seiten der Gemeinde Wien nötig. Resultat der langen Verhandlungen und der gleichzeitigen Mobilisierung war eine einmalige Sonderzahlung der Gemeinde 2012 zur Entschuldung, wobei jedoch gleichzeitig die Subvention auf die absolut grundlegenden Grundkosten hinunter gekürzt wurde und die Auflagen in Rechnungslegung und der Druck zur anderweitigen Finanzierung erhöht wurde. Dies bedeutete eine strukturell labile Ausgangsposition, in der mittelfristig die nächsten existenziellen Krisen bereits angelegt waren.

Bis Mitte März 2014 wurden wir in der Annahme bestärkt, dass nach Jahren zäher Verhandlungen und fehlender Planungssicherheit 2013 ein Konsens mit der Gemeinde Wien erreicht worden war und die Subvention 2014 zwar extrem spät, aber zumindest im Ausmaß der ausverhandelten Grundkosten beschlossen werden würde. Ende März 2014 wurde in einem Gespräch von der Magistratsabteilung 13 vage eine Kürzung unserer Subvention angedeutet. Im April mussten wir dann aus der U-Bahnzeitung „Heute“ erfahren, dass die Stadt die Subvention von 245.000,- um mehr als die Hälfte auf 113.000,- kürzen wolle. Und davon sollen noch 60.000,- Euro direkt an die GESIBA (zu 99,97 % im Eigentum der Stadt Wien) überwiesen werden statt an den Verein.

Das Argument seitens der MA 13 für ihr Vorgehen, nämlich dass die Dezember-Miete von 5.000,- € nicht bezahlt wurde, kann nur als fadenscheinig bezeichnet werden: Bei der GESIBA wurde bezüglich dieser Miete eine Stundung beantragt, die vom Vorstand auch der MA 13 gegenüber ausführlich begründet wurde. Denn erstens konnte im 2013 bei der GESIBA eine jährliche Mietreduktion im selben Ausmaß von 5.000,- erwirkt werden und zweitens wurde für das Jahr 2013 auch noch ein Betriebskostenguthaben von über 5.000,- fällig. Darüber hinaus verfügte die GESIBA über einen Reparatur- und Instandhaltungstopf für das Amerlinghaus mit rund 200.000,- €, zurückgelegt von den Zahlungen des Kulturzentrums. Während die MA 13 direkt und im Voraus die Mietforderungen der GESIBA bedienen wollte, wären dem Kulturzentrum 53.000,- für Kosten für Betrieb und Personal geblieben. Es liegt auf der Hand, dass dies das Aus für das Kulturzentrum in seiner bis dato existierenden Form bedeutet hätte, sowohl für die Angestellten als auch für die über 60 Gruppen und Einzelpersonen, die im Zentrum aktiv waren und sind.

Aktionsspektakel auf der Mariahilferstraße am 20.5.2014

Es entsprach also keineswegs den Tatsachen, dass eine um 60% gekürzte Förderung den Betrieb des Kulturzentrums im Amerlinghaus abgesichert hätte, wie medial kolportiert wurde. Die 2013 in mühevollen Verhandlungen mit der MA 13 erzielte Einigung über eine Grundkosten-Förderung in der Höhe von 245.000,- war das unterste Limit, auf dem ein Betrieb des Zentrums als offenes, intergenerationelles, transkulturelles und politics-übergreifendes Basiskulturzentrum möglich war. Es ist zynisch, eine 60%ige Kürzung in den Kontext einer Neukonzeptionierung zu stellen. Eine Neukonzeptionierung, so wie sie von uns gedacht war, sollte eine Ausweitung des Zentrums mit sich und eine Vervielfältigung öffentlicher, solidarischer und inkludierender sozialer Räume, aber nicht eine Zerschlagung eines wichtigen und dynamischen sozialen Zentrums in Wien, ohne politische Diskussion und nach neoliberaler Verwertungslogik.

Kulturzentrum im Amerlinghaus bleibt!

Das Kulturzentrum im Amerlinghaus hätte umgehend den Betrieb des Kulturzentrums einstellen müssen. Daran änderten auch von der MA13 geäußerte vage Andeutungen nichts, dass es „bei Wohlverhalten“ noch weitere Gelder geben sollte. Wir können eine Weiterarbeit nicht auf Basis von vagen Andeutungen planen. Der Ausschussbeschluss bezog sich explizit auf eine Jahres- und nicht eine Halbjahressubvention. Unsere Einschätzung war klar: Entweder bekennt sich die Gemeinde Wien zum Kulturzentrum und stellt wieder Planungssicherheit her, oder die Rot-Grüne Koalition will das Kulturzentrum nach 36 Jahren abschaffen. Indem an die GESIBA gezahlt werden sollte, während das Kulturzentrum in den Ruin getrieben worden wäre, lag die Vermutung nahe, dass die Gemeinde längst etwas anderes mit dem Haus in exklusiver Lage vorhatte. Das wollten wir verhindern. Unser Slogan hieß: Kulturzentrum im Amerlinghaus bleibt!

Lisa Grösel und Claudia Totschnig 1.5.2014

Seitens einzelner Politiker_innen und auch aus dem Büro der Vizebürgermeisterin war dann die Rede davon, dass die am 1. April im für die MA 13 zuständigen Ausschuss beschlossenen 113.000,- € nur die Subvention für die erste Jahreshälfte gewesen wären und wir eine weitere Tranche an Fördergeldern bekommen sollten. Aus der MA 13 und dem Büro von Stadtrat Oxonitsch wurde signalisiert, dass dies nicht der einzige Zuschuss 2014 bleiben würde. Auf dieser Basis hätte der Verein unmöglich weiterarbeiten können. Wir als Verein tragen die Verantwortung dafür, dass wir auf sicheren Grundlagen arbeiten, Andeutungen von Beamt_innenschaft und Politik sind dies allerdings nicht. Die Gemeinde versuchte, einen schuldenfreien Verein mit ordentlicher Geschäftsgebarung ins Aus zu zwingen und die Verantwortung dafür auf das Kulturzentrum abzuschieben, indem uns „Misswirtschaft“ unterstellt wurde, wovon jedoch keine Rede sein konnte. Denn wenn wir die von der Wirtschaftskammer veröffentlichten Zahlen zur Inflationsentwicklung als Basis nehmen, so ergibt sich eine reale Subventionskürzung seit dem Jahr 2004 von 253.790,55 Euro. 2012 wurde der Verein zwar aufgrund der über viele Jahre nicht erfolgten Wertanpassung bei gleichzeitiger Kostensteigerung mit einer zusätzlichen Sondersubvention in der Höhe von € 140.000,- entschuldet. Hier wird aber deutlich, dass dieser Betrag bei weitem nicht die Inflationsrate abdeckt.

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Im Juni 2014 wurde dann klar, dass wir es geschafft hatten! In einem Gespräch mit dem Vorstand des Trägervereins des Kulturzentrums am 21. Mai teilte uns Stadtrat Oxonitsch mit, dass für 2014 nun doch die volle Subvention in gleicher Höhe wie im Vorjahr bewilligt werden würde. Im Gemeinderat wurde dann am 25.06.2014 zusätzlich zu den bereits gesicherten 113.000,- € (davon 60.000,- direkt an die GESIBA!) eine Nachtragsförderung in der Höhe von 132.000,- beschlossen. Damit war die Existenz unseres Zentrums für 2014 gesichert! Diese Entscheidung war keineswegs vorhersehbar gewesen, sondern Ergebnis unserer Anstrengungen und Kämpfe! Wir möchten allen herzlich danken, die sich an den Protestaktionen zum Erhalt des Kulturzentrums Spittelberg im Amerlinghaus beteiligt haben: Ihr wart großartig! Solidarität ist unsere Waffe!

Aktionsspektakel auf der Mariahilferstraße am 20.5.2014

Allerdings waren wir uns darüber im Klaren, dass wir darüber nachdenken und diskutieren mussten, wie wir mit solcherlei Disziplinierungs- und Zermürbungstaktiken, einer de facto sinkenden Förderung und steigenden Kosten zukünftig umgehen sollten. Denn es ist sowohl skandalös als auch anstrengend, jedes Jahr aufs Neue Protestmaßnahmen organisieren zu müssen, um von der Gemeinde eine Unterstützung zumindest zur Deckung der Grundkosten zu erhalten.

RaumFrei?!

Im Jahr 2015 feierte das Amerlinghaus den 40. Jahrestag seiner Besetzung. Wäre das Haus 1975 nicht besetzt worden, würde es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr stehen. Auch in diesem Jahr entstand wie so oft davor durch den spät im Kalenderjahr erfolgenden Beschluss und damit einer nicht sofort mit Jahresbeginn erfolgenden Auszahlung der Subvention die Notwendigkeit von Banküberzügen. Der dadurch entstehende Zinsaufwand kürzt die Subvention noch einmal um mehrere tausend Euro per anno. Was viele nicht wissen: Das Kulturzentrum Spittelberg steht in keinem finanziellen oder sonstigem Verhältnis zum Amerlingbeisl, das ebenfalls im Haus angesiedelt ist. Gewinne des Amerlingbeisl, etwa aus dem Lokalbetrieb oder dem regelmäßigen Punschverkauf im Hof im November und Dezember, gehen ausschließlich an den privaten Betreiber des Lokals. Die Miete, mittlerweile ein Viertel der Subvention, wird seit 2014 direkt an die GESIBA gezahlt, die das Haus verwaltet. Dieses Vorgehen nimmt uns jedes Druckmittel in den Verhandlungen mit der GESIBA um eine Mietreduktion sowie um dringend notwendige Renovierungsarbeiten aus der Hand.

Wir beschlossen, das 40-Jahr-Jubiläum der Besetzung nicht nostalgisch und selbstreferentiell zu feiern, sondern dazu zu nutzen, in einer solidarischen Kampagne Kräfte zu bündeln und gemeinsam gegen neoliberale Verwertungslogik und soziale Verdrängung, gegen unleistbare Mieten, Kriminalisierung und Repression widerständige Aktionen zu setzen! Es entstand die „Solidarische Kampagne 40 Tage – 40 Besetzungen/Raumnahmen – RaumFrei?! Raum greifen, sich Raum nehmen, Raum besetzen, sich reale, diskursive, symbolische, kulturelle Räume aneignen, schaffen“ … 40 Tage mit Aktionen & Interventionen in Kooperation und unter Beteiligung von Gruppen und Initiativen, die im Kulturzentrum aktiv sind sowie anderen, die soziale kulturelle politische Räume aufmachen, die sich der Verwertungslogik entgegenstellen, die Widerstand gegen Verdrängungen leisten, die selbstorganisiert und von unten bewegt sind. Daran anschließend fanden in der zweiten Junihälfte Aktionstage statt – drei Tage gemeinsam mit Hausgruppen und Initiativen aus dem Umfeld des Kulturzentrums mit einem vielfältigen, offenen Programm im Amerlinghaus.

amerlinghaus_broschuere_raumfrei_0515

Leider wurde nach Jahren des prekären Weiterarbeitens ohne Planungssicherheit auch für 2016 unsere Forderung nach einer ausreichenden Grundkostenförderung für das Kulturzentrum nicht erfüllt. Die Kosten für Löhne und die Miete betrugen mittlerweile mehr, als wir von der Gemeinde an Förderung erhielten. Bezüglich der Miete – die von der MA 13 unmittelbar an die GESIBA überwiesen wird – standen wir in Verhandlungen mit der GESIBA um eine Mietreduktion. Außerdem war über die Schlichtungsstelle ein Rechtsstreit mit der GESIBA um eine gerechtere Aufteilung der Betriebskosten zwischen dem Kulturzentrum dem Beisl anhängig, weil beim Beisl als kommerziellem Gastronomiebetrieb relativ zur Fläche weit mehr Betriebskosten (Müll, Wasser) anfallen – umso mehr, als Gastgarten und Punschstand im Hof überhaupt nicht in die Berechnung miteinbezogen wurden! Im März waren nun die Verhandlungen mit der GESIBA auf ganzer Linie gescheitert. Die GESIBA beharrte darauf, nach wirtschaftlichen Aspekten agieren zu müssen. Das bedeutete für das Kulturzentrum, dass eine akute Finanzierungslücke bestand, für die quasi sofort eine Lösung gefunden werden musste. Das Problem war umso drängender, als aus vereinstechnischen Gründen unmittelbarer Handlungsbedarf bestand, u.a. auch deshalb, weil andernfalls Personen, die als Vorstandsmitglieder seit vielen Jahren in einer dauerhaften Krisensituation mit unerschütterlicher Solidarität dem Kulturzentrum die Stange gehalten hatten, privat für etwaige Defizite gehaftet hätten. Unter diesem Druck sah sich der Vorstand in einer Krisensitzung Anfang April genötigt, Personalkürzungen zu beschließen – sollte es zu keiner politischen Lösung kommen. Im Mai 2016 organisierten wir noch einmal einen Aktionstag vor dem Rathaus. Leider gelang es uns jedoch nicht, ausreichend Druck zu entwickeln, um tatsächlich eine Wertanpassung der Subvention zu erreichen. Wir traten daher in eine Phase intensiver interner Verhandlungen um mögliche Personalkürzungen ein, die uns an den Rande der Selbstzerstörung brachte.

Jingle Amerlinghaus bleibt – Radio Orange Mai 2016

Krise braucht Kultur!

2017 war für das Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus ein extrem schwieriges Jahr. Die Finanzierung des Betriebs des Kulturzentrums war nicht mehr ausreichend gesichert. Nach Jahren, die geprägt waren von intensiven Verhandlungen um eine Wertanpassung der seit 2004 nicht mehr indexierten Subvention mit der für den Verein Kulturzentrum Spittelberg zuständigen MA 13 der Gemeinde Wien, waren auch die Hoffnungen auf den 2016 schließlich nach zwei Jahren Verfahrensdauer verlorenen Prozess bei der Schlichtungsstelle um eine gerechtere Verteilung der Betriebskosten (Müll und Wasser) mit dem Amerlingbeisl auf ganzer Linie enttäuscht worden. So trat trotz einer erheblichen Steigerung der Eigenmittel jene Situation ein, die schon lange absehbar gewesen war und vor der wir seit Jahren gewarnt hatten. Der Vereinsvorstand sah sich an einem Punkt angekommen, wo die Perspektive für eine Weiterarbeit ohne erneute tiefgreifende Einschnitte in die (von der „Grundstruktur-Förderung“ nicht mehr abgedeckte) Grundstruktur fehlte. Zermürbende interne Diskussionen um Stundenkürzungen und Putzarbeit wurden zur bisher größten Zerreißprobe in all den Jahren des prekären Kämpfens, und das Team des Infobüros war kurz davor, das Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus zu verlassen. Der Solidarität und dem allergrößten Bemühen einiger Vorstandmitglieder ist es zu danken, dass am Ende dieses Diskussionsprozesses doch noch ein Kompromiss erzielt werden konnte. Ein schmerzhafter. Darin waren sich alle einig. Zwei Punkte sind hier hervorzustreichen. Erstens die Bereitschaft der Mitarbeiterinnen einer Stundenreduktion zuzustimmen, zu der sie arbeitsrechtlich nicht verpflichtet gewesen wären. Und zweitens die Tatsache, dass die rund 20 Wochenarbeitsstunden, um die schlussendlich der Personalstand reduziert wurde, in einer Art und Weise fehlen, die den Betrieb des Kulturzentrums Spittelberg im Amerlinghaus ernsthaft gefährdet. Die Frage, wie mit der für eine kontinuierliche Fortführung des Betriebs bedrohlichen Situation umzugehen ist und welche Strategien oder Lösungsansätze umgesetzt werden können oder sollen, ist damit noch längst nicht beantwortet.

Flyer für den Aktionstag am 10.5.2016 beim Rathaus

Weitgehender Konsens bestand in der Forderung, eine Fortführung des offenen, niederschwelligen, k r i t i s c h e n Konzepts des Kulturzentrums zu gewährleisten. Zentral hierfür ist der nicht-kommerzielle, unterstützende Ansatz, der den Zugang von prekarisierten, finanzschwachen, selbstorganisierten Initiativen zu den Ressourcen des Hauses garantiert. Das Kulturzentrum im Amerlinghaus ist nicht allein gefährdet, viele andere Initiativen im zivilgesellschaftlichen und autonomen Bereich kämpfen ums Überleben, auch ihnen gilt unsere Solidarität. Das Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus bildet einen der letzten Orte in Wien, an dem vielfältige kritische und solidarische Basiskulturarbeit stattfinden kann, ohne direkt einer Verwertungslogik unterworfen zu sein. In einem gesamtgesellschaftlichen Kontext, der geprägt ist von Einsparungen und Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich, von steigender Armutsgefährdung, zunehmenden Ausgrenzungen und steigender Repression gegenüber alternativen Gesellschaftsentwürfen, hat der Weiterbestand des Zentrums eine gesamtgesellschaftlich relevante Bedeutung. Wir – Mitarbeiter*innen, Hausgruppen, Vorstand, Nutzer*innen, Unterstützer*innen und solidarische Freund*innen – verliehen unserer politischen Argumentation im Laufe der Jahre durch diverse Aktionen, wie ein großes Kundgebungs-Spektakel am Rathausplatz, Infotische, Streikaktion, Vernetzungen und Diskussionsveranstaltungen auch praktisch Nachdruck. Angesichts der rasanten Rechtsentwicklung der gesamtösterreichischen politischen Situation und des zunehmend Autoritärwerden des Staates denken wir, dass es auch im Interesse der Wiener Stadtregierung liegen muss, die freie Kulturszene ebenso wie selbstorganisierte zivilgesellschaftliche Initiativen zu fördern und nicht auszuhungern. Schließlich tragen diese wesentlich zum Ruf Wiens als weltoffene Stadt bei.

Wir meinen, dass es eine grundlegende Frage der Politik ist, wie weit in einer Stadt wie Wien weitgehend selbstbestimmte offene Gruppen und Initiativen unterstützt werden und ihnen Öffentlichkeit zugestanden wird. Oder aber ob durch eine Versagung dessen die soziale Kultur wieder einen Schritt enger und ärmer gemacht wird. Es kann nicht sein, dass immer wieder Gruppen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, unter anderem, indem noch mehr soziale, kulturelle und materielle Ressourcen ausgetrocknet werden. Wir halten diese Entwicklung für gefährlich. Wir machen weiter. Nur einem großem persönlichen Einsatz, intensiver, nicht immer einfacher aber konstruktiver Zusammenarbeit mit Gruppen und Einzelpersonen im Haus sowie viel Solidarität und Unterstützung ist es zu verdanken, dass wir in einem zunehmend desolaten Haus unter zunehmend schlechter werdenden Arbeitsbedingungen weiterarbeiten konnten. Wie lange das noch möglich sein wird, bleibt fraglich.

Aktionsspektakel vor dem Rathaus am 29.4.2010